Rechenschwäche


Haben Sie schon einmal einen Berg bestiegen? Einen richtig steilen Berg, den man nur erklimmen kann, wenn man bestens ausgerüstet ist? Einen Berg, für den man ein Kletterseil benötigt, Karabiner, Schlingen, Kletterschuhe und natürlich einen Klettergurt. Mathematik ist für mich, wie ein solcher Berg. Man braucht eine Ausrüstung, man braucht Werkzeuge, um die Mathematik meistern zu können.

rechenschwaeche80 Prozent der Kinder haben diese Werkzeuge dabei, einfach so, ohne dass sie ihnen jemand gereicht hätte. Sie haben leicht zählen gelernt, haben Verständnis für die Zahlen, können sie zusammenfügen und auseinandernehmen, wissen welche größer, welche kleiner ist, wissen, was eine Reihenfolge, was Ordnung ist und entwickeln relativ leicht eine Vorstellung von Raum, Lage und Zeit. Diese Kinder würden auch rechnen lernen, ohne, dass ihnen jemand erklärt wie es geht.

20 Prozent der Kinder jedoch fehlt mindestens eines dieser Werkzeuge. Manchmal zwei, manchmal mehr. Für diese Kinder wird Mathematik schnell zu einem Angstbegriff. Abgesehen von unbefriedigenden Noten, werden sie häufig auch mit Vorwürfen überhäuft. Ihnen wird ein Mangel an Konzentration, Faulheit, Dummheit oder gerne auch AD(H)S nachgesagt.

Nach den Ergebnissen des Bildungsbarometers von 2009 liegt Mathematik mit über 80 Prozent an der Spitze der Schulfächer, bei denen ein Nachhilfebedarf vermutet wird (Deutsch ca. 8%, Englisch ca 5%). Setzt eine solche Nachhilfe nicht am individuellen Lernstand eines Betroffenen an, kann sie jedoch nicht erfolgreich sein, ja kann sogar verschlimmern.
Das Geheimnis einer erfolgreichen „Mathetherapie“ besteht für mich darin, die Kletterausrüstung mit allen Werkzeugen zu überprüfen und an entsprechenden Stellen zu ergänzen, zu flicken oder zu polieren. Damit wirklich jedes Kind den faszinierenden Berg der Mathematik erklimmen kann.


Als Kind eines Mathematikers war mir diese Faszination lange verschlossen geblieben. Erst während meiner Ausbildung entdeckte ich meine Liebe zur Mathematik – Dank meines Lehrers. Er vertritt die Auffassung: „Wenn ich etwas erkläre, und derjenige, dem ich es erkläre, versteht es nicht, dann habe ich es nicht gut genug erklärt.“ Die Herausforderung besteht folglich darin, alles so zu erklären, dass der andere es versteht.

Meines Erachtens ist es dieses große Missverständniss zwischen Erklärenden und Lernenden, das zur allgemeinen Verkennung der Mathematik geführt hat.

Die Verantwortung liegt immer beim Erklärenden.